pondělí 18. prosince 2017

GERHARD JÄGER: Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod

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Ein genialer Roman, der in die Geschichte der Literatur eintreten wird!

Während des Lesens dieses atemberaubenden Romans bin ich in einem bestimmten Moment unversehens an ein Sprichwort errinert worden – „Oliven lassen Öl tropfen, nur wenn sie zermalmt werden“. Und zugleich auch an das literarische Fest, das ich vor vielen Jahren erleben konnte, als ich das Buch Vernarbte Herzen von rumänichem Schrifftsteller Max Blecher kennengelernt hatte. Warum aber erwähne ich hier Tatsachen, die mit der Rezension in keinem Zusammenhang zu sein scheinen? Max Blecher hat seine Texte während des Wartens auf den Tod geschrieben, mit der Gipskruste zum Bett gebunden infolge der unheilbaren Krankheit der Wirbelsäule, wobei das Schicksal ebenfalls zu Gerhard Jäger, dem Autor Schnee, Feuer, Schuld und Tod, nicht gerade barmherzig gewesen ist, als er nach dem schweren Unfall am Rollstuhl endete. Ist es wirklich so, dass diejenigen, die das körperliche oder seelische Leiden ertragen müssen, im Vergleich zu anderen eine stärkere und zwingendere Motivation haben, ihre inneren Gefühle und Stellungnahmen auszusprechen und dass es ihnen zu diesem Zweck viel grössere Fähigkeiten der künstlerischen Begabenheiten gegeben werden?
Möge es wie auch immer sein, man wird schon seit der ersten Seiten des Romandebuts des österreichischen Autors eindeutig davon überzeugt, dass man in den Händen einen literarischen Schmuck hält, wobei man intuitiv voraussetzt, dass im dieselben meisterhaften Stiles das Buch auch weiterhin fortfahren wird. Die ganz rationale und zugleich äusserst mysteriöze Geschichte beginnt sehr ungewöhnlich – dem Fund der weiblichen Leiche im Schnee folgt eine Szene, worin sich ein achzigjähriger Greis an ein altes Ereignis errinert (eine Indianerin hat ihm vorausgesprochen, dass er zum Lebensende in die Gegend seiner Kindheit zurückkommen wird). Und zum drittenmal – dieser alte Mann sitzt im Flugzeug über dem Atlantik, damit er nach dem Landung in München nach Innsbruck fährt, um dort im Archiv eine Handschrift zu studieren. Was beabsichtigt et in diesem alten Schrift zu finden? Was für ein Geheimnis kann es sein, dass er eine mühsame Reise über die Hälfte der Erdkugel unternommen hat? Warum ist es für ihn so wichtig, vor dem Tod noch zum Ort seiner Jugend zurückzukehren? Diese dunkle Geschichte soll der Leser sowohl mit der Spannung, als auch mit der Begeisterung über die erzählerische Kunst des Autors an hundert Seiten dieser wunderschönen Saga verfolgen und allmählich enthüllen, die vom schweren menschlichen Schicksal am Hintergrund der grausamen Natur spricht.
In vier Teile verteilt, die ihr Titel kopiert, beginnt dieses Buch ähnlich wie Das Schloss von Franz Kafka – es wird das Jahr 1950 geschrieben und ins Dorf hoch in Tyrollalpen kommt Max Schreiber, ein junger Mann aus Wien, um hier das Material für das geplante Roman zu sammeln. Die Unzugänglichkeit, ja Argwohn der Bewohner angesichts seinem Interesse für die örtliche Historie behindert ihn, mit ihnen das gewünschte Kontakt zu binden und er wird vielmehr als ein Eindringlikg betrachtet, von dem man Abstand behalten sollte. Die Situation ändert sich und wird zugleich äusserst dramatisch, als der unerwünschte Gast einmal unversehens die konkrete Geschichte erwähnt, die er hier erforschen möchte. Diese literarisch ganz faszinierende Gaststätteszene bedeutet zugleich einen radikalen Riss in das bisher ruhige Flüssen des Erzählens.
Der Autor hält aber nach wie vor am grundlegenden Plan fest, wenn er mit der Hilfe der unbestimmten Hinweise, der psychologischen Feinheiten und nur sehr langsam und vorsichtig enthülten Zusammenhängen den geheimnisvollen Gang der Geschichte erhält und vor den Leser viele schwerwiegende Fragen stellt. Warum Max Schreiber, ein Intellektueller aus der Hauptstadt, ein Buch über die alte, halbvergessene Geschichte schreiben will, die sich in einem unbekannten Dorf hoch in Bergen abspielte und wahrscheinlich niemanden mehr interessiert? Was jagte ihn aus der gemütlichen wiennerischen Wohnung in Schnee, Schlamm, Kälte und kleine Stube über dem lärmenden Enrwurf? Wer ist die Frau, die er hin und wieder beim Bummeln durch Wälder und Berge sieht? Und dann kommt der weitere Bruch – das Nachtgespräch mit dem alten Pfarrer, der ihm das Geheimnis verrät, nach dem sich der Besucher aus Wien so sehr söhnt. Es zeigt sich aber gleich, dass nichts Grundsätzlichen damit gelöst wird, im Gegenteil – die Atmosphäre, die das Dorf und seine Bewohner umräumt, wird noch unheimlich und düster.
Ich weiss nicht, ob das Roman Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod als „genial“ bezeichnet werden kann. Möge es aber in diesem Hinsicht wie auch immer sein, weiss ich sehr gut, dass es jedenfalls um eine grandiose literarische geht, bei dem ein originelles und tiefes Thema mit dem nicht wenig originell Schreibstil verbunden ist. Es scheint, als ob die Erzählung immer endet und wieder fortfährt, der Leser ist zum Buch gefesellt und kann nicht anders, als die Seiten mit Erstaunen durchzublättern und zu fragen, ob es ihm nicht scheint und ob er schon manchmal mit etwas Ähnlichem konfrontiert wurde, mit diesem vollendeten Beschreiben der Naturszenerien, von denen ganz spontan lebendige Männer und Frauen heraustreten und schlichte und einfache Gespräche führen, in denen je kein überflüssiges Wort klingt, die aber zugleich mit dem Schleier der geheimen Weise gehüllt werden. Hier spricht man nicht viel, die Rede kann ja in jedem Augenblick vom Fall der Lawine übertönt, die unbarmherzig von den Bergen rollt und alles zerstört, was ihr in den Weg steht – Häuser, Tiere, Menschen...
Ich kann natürlich nicht wissen, ob Gebhard Jäger beabsichtigt, ein weiteres Buch zu schreiben. Sollte es aber der Fall sein, werde ich ganz bestimmt mit der Spannung warten, bis es herausgeben wird, denn ich zähle ihn zu den begabtesten Schriftsteller der Gegenwart.

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